Von Oulton Broad zu den Ochseninseln

Nach ersten vorsichtigen Prognosen war der Termin für die Überführung auf November letzten Jahres veranschlagt gewesen.

Schnell wurde er dann auf das nächste Frühjahr verschoben, da die notwendigen Arbeiten am Unterwasserschiff doch etwas umfangreicher waren als geplant.

Daraus wurde dann Juni und losgefahren sind wir schließlich Ende Juli.

In der letzten Woche vor der Abfahrt wurde es dann noch einmal richtig spannend.

kurz vor dem Auslaufen ist noch viel zu tun

Die Crew war vollständig in England versammelt, das Wetter stimmte, der Rücktransport des Autos war organisiert, die letzten Vorbereitungen liefen. Das ganze hatte nur einen kleinen Schönheitsfehler: ZELA lag noch auf dem Slip und wollte nicht ins Wasser.

Mit allen Masten und Spieren an Deck, der Ankerkette an Bord und allen Segeln, Drähten und Tauwerk der Takelage im Raum war sie so schwer geworden, dass sie nur bei Springhochwasser aufschwimmen würde. Und das war erst fast zwei Wochen nach dem geplanten Sliptermin.

Die Crew wurde immer nervöser, der ganze Hafen lachte bereits über den Werftchef und die Zeit verstrich.

Am Montag kam dann der große Moment. Mit dem Vormittagshochwasser würde die Tide erstmals  wieder so hoch steigen, dass eine Chance zum Abslippen bestünde.

Ein leises Rucken ging durch das Schiff, ein leichtes Wiegen und dann schwamm sie!

Nun musste noch Diesel und Wasser gebunkert werden, die Welle an das Getriebe angeflanscht werden und natürlich ein Probelauf.

Doch daraus wurde wieder nichts: Probleme mit dem Kühlwasserzulauf. Bis abends mussten wir basteln bis endlich alles einigermaßen hinhaute. Für eine Probefahrt war es nun zu spät und der Wetterbericht wurde schlechter und schlechter.

Wenn wir nun nicht bald loskamen, könnte es sehr lange dauern, bis wir wieder die nächste Chance bekämen.

Als wir Dienstagvormittag dann tatsächlich ablegten und uns mit lautem Typhonsignal verabschiedeten, hatte niemand in Oulton Broad so wirklich daran geglaubt, dass wir mit unserem halbfertigen, abenteuerlich aussehenden Gefährt wirklich in See stechen würden.

Der Rumpf und die Außenhaut waren zwar von unten auf gründlich instand gesetzt und generalüberholt, fast alles andere jedoch war nur provisorisch zurecht gebaut.

Die Werftbelegschaft geleitete uns in kleinen Booten bis zur Klappbrücke in Lowestoft. Nach fast 16 Jahren Liegezeit in Oulton Broad konnten sie sich wohl noch nicht so recht von „ihrer“ ZELA trennen.

Die Strecke den Lake Loathing hinunter bis zur Ausfahrt musste als unsere Probefahrt gelten. Danach waren wir auf der freien Nordsee.

Die Molenköpfe von Lowestoft liegen hinter uns

Nachdem wir die Molenköpfe von Lowestoft passiert hatten, stellten wir fest, dass die hydraulische Ruderanlage nicht ganz so wollte, wie wir wollten und wir keine Manöver mit harter Ruderlage würden fahren können, aber damit würden wir leben können. Umkehren wollte deshalb niemand von uns. Die Besatzung war an kleinere und größere Schwierigkeiten jeglicher Art gewöhnt und katastrophenerprobt. Die meisten von uns waren vor zwei Jahren bereits bei der Überführung der GHOST von den USA in die Karibik mit dabei gewesen.

Reisebericht GHOST

Die Nordsee empfing uns verhältnismäßig freundlich.

Auf der Nordsee – bei schlechtem…

Zwar rollte ZELA stark in der achterlichen Dünung, aber der Wind blieb moderat.

Bereits am ersten Tag passierten wir zahlreiche Fischkutter. ZELA, als ehemaliges dänisches Fischereifahrzeug, konnte sich also wie zu Hause fühlen.

Ab Mitternacht, inmitten von hunderten Bohrplattformen, wurden wir dann von dichtem Nebel eingehüllt. Wir schalteten das geliehene Radargerät ein, das wir noch im letzten Moment vor Auslaufen installiert hatten. Auch hier hatten wir es nicht mehr zu einem Probelauf geschafft. So wussten wir auch zunächst nicht, dass das Bild genau auf dem Kopf stand. Dementsprechend schwierig fiel am Anfang die Orientierung. Aber mit Ausguck und Lauschposten am Bug fanden wir uns schließlich zurecht.

… und bei gutem Wetter

Zum Morgen hin wurde die Sicht besser. Später kam sogar die Sonne heraus. Gute Chance, um unsere Bettwäsche wieder etwas zu trocknen.

Das Deck leckte bei jeder Regenschauer wie ein Sieb und die vier Kojen im Vorschiff wurden beständig von oben berieselt.

Auch über dem Kartentisch tropfte es hartnäckig. Die Seekarten mussten wir immer so platzieren, dass nur die Bereiche aufweichten, die schon hinter uns lagen.

Nachmittags passierten wir die holländische Küste. Abends hatten wir die ersten deutschen Inseln querab.

Nachts wurde das Wetter schlechter und kurz nach Mitternacht brieste es richtig auf. Gerade noch rechtzeitig bekamen wir die Elbmündung zu fassen. Um ein Uhr schwappte eine kurze steile Welle eines vorbeifahrenden Frachters über Deck. Postwendend kam lautes Fluchen aus dem Vorschiff. Wieder mal standen alle Kojen unter Wasser.

Mit der Tide wurde ZELA immer schneller. Als ob sie gespürt hätte, dass dies unser Wunsch war, brachte sie uns genau zu Stauwasser nach Brunsbüttel vor die Schleusen zum Nord-Ostsee-Kanal.

Obwohl wir als Yacht angemeldet waren, die normalerweise diesen Service nicht bekommen, kamen auf der Schleuse die Festmacher auf die Pier und fragten, ob sie unsere Leinen annehmen dürften. In Wirklichkeit waren sie bloß neugierig und wollten sehen, was für ein seltsames Gefährt dort ankam.

Für uns war dies unser erstes Anlegemanöver mit ZELA und für ZELA war es das erste Anlegemanöver aus eigener Kraft überhaupt, das sie seit fast 16 Jahren gefahren hat. Doch alles ging glatt.

im Nord-Ostsee-Kanal

Zum Sonnenaufgang liefen wir aus der Schleuse in den Nord-Ostsee-Kanal ein. Alfred, der einzige von uns, der noch nie zuvor ein Schiff selbst gefahren hatte, steuerte wie eine eins und war fast nicht vom Ruder wegzubekommen.

Pünktlich zum Feierabend machten wir im heimatlichen Holtenau fest. Aus Westen wehte es bereits ordentlich und wir waren alle sehr froh, die Nordsee hinter uns gelassen zu haben.

in Holtenau in der Schleuse

In der Ostsee wurde ZELA sogleich von einer ihrer alten Schwestern begrüßt: CARMELAN, ein weiterer Esbjerger Haikutter, machte neben uns fest.

Der Wetterbericht für den nächsten Tag sagte weiterhin Starkwind voraus. Doch für die Strecke die Küste hinauf zur Flensburger Förde würden wir die meiste Zeit über Landschutz haben. Und ZELA hatte ja bereits in der Nordsee bewiesen, dass sie ein seetüchtiges Schiff ist.

Vor der Eckernförder Bucht schaukelte es noch einmal tüchtig. Die steilen kurzen Wellen der Ostsee spritzten über Deck. Unsere Matratzen hatten wir zum Glück bereits vorsorglich unter einer Plastikplane eingepackt.

Auf der Ostsee

ZELA war sichtlich in ihrem Element und wir konnten alle spüren, wie sie sich freute, wieder unterwegs zu sein. Mit über sieben Knoten preschte sie durch die See.

Ab Falshöft hatten wir den Wind genau gegenan. Doch unbeeindruckt hielt ZELA ihre Geschwindigkeit bei. Viel früher als geplant passierten wir Egernsund und am Horizont kam unser Ziel, die Ochseninseln, in Sicht.

Mit der Inselfähre kam uns eine Begrüßungs-Delegation entgegen  –  und wurde von unserer schnellen ZELA prompt abgehängt.

Wenig später legten wir ganz sanft am Werftsteg der Großen Ochseninsel an.

Wir haben es tatsächlich geschafft!

Nach 10 Monaten harter Arbeit in England, vier Tagen auf See und ca. 420 zurückgelegten Seemeilen haben wir ZELA sicher nach Hause gebracht.

Die Crew

Hier an ihrem neuen Liegeplatz sollen die Aufbauarbeiten fortgeführt werden. Siehe: ZELA auf den Ochseninseln.